Gruppendenken

Fast jeder kennt die Situation: In einem Meeting hält Daniel seine Meinung zurück. Er sagt nichts, nickt den Anträgen zu, schließlich möchte er nicht der ewige Störenfried sein. Hinzu kommen Bedenken, dass er mit seiner abweichenden Meinung vielleicht doch nicht ganz richtig liegt, denn die anderen sind schließlich auch nicht dumm. Folglich hält er sich zurück. Das Phänomen Gruppendenken (Groupthink) tritt dann ein, wenn sich neben Daniel noch viele andere Meetingteilnehmer so verhalten. Gruppendenken beschreibt einen Prozess, bei dem eine Gruppe von mehr oder weniger kompetenten Personen schlechtere oder realitätsfremdere Entscheidungen als möglich trifft, weil jede beteiligte Person ihre Meinung an die erwartete Gruppenmeinung anpasst. In der Folge kommen Entscheidungen zustande, die jedes einzelne Gruppenmitglied unter normalen Umständen abgelehnt hätte.

Berühmte Beispiele für Gruppendenken sind der Vietnamkrieg, die Schweinebucht-Invasion, die Watergate-Affäre, dass Challenger-Unglück und Columbia-Unglück, die Korruption im Enronkonzern, die Entscheidung des amerikanischen Kongresses zum zweiten Irakkrieg 2003 und nicht zuletzt spielte Gruppendenken ein wesentlicher Faktor im Nationalsozialismus. Gerade bei der Schweinebucht-Invasion, für die der damalige amerikanische Präsident John F. Kennedy verantwortlich war, wurde ein absurder Plan durchgezogen. Da sämtliche Annahmen, die für diese Invasion sprachen, falsch waren, wurde sie zum größten Fiasko der amerikanischen Außenpolitik.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickeln Mitglieder einer verschworenen Gruppe einen „Esprit de Corps“, indem sie unbewusst eine Illusion aufbauen. Eine dieser Illusionen ist die Überzeugung von Unverwundbarkeit, also überzogener Optimismus. Bei der Schweinebucht-Invasion waren Kennedy und seine Gruppe der Überzeugung, dass der Plan funktioniere. Daher ging man davon aus, dass das Glück auf deren Seite ist. Weitere Illusionen sind beispielsweise die Überzeugung von der Moralität des eigenen Handelns, Beschönigung schlechter Entscheidungen oder die Illusion der Einstimmigkeit. Von den Gruppenmitgliedern möchte keiner der Spielverderber sein, der die Übereinstimmung zerstören könnte.

In der Wirtschaft ist der Kollaps der Swissair im Jahr 2001/02 ein klassisches Beispiel für Gruppendenken. Eine verschworene Beratergruppe um den damaligen CEO baute, getrieben von der Euphorie vergangener Erfolge, eine derart starke Übereinstimmung auf, dass abweichende Meinungen zur hochriskanten Expansionsstrategie erst gar nicht geäußert wurden.

Fazit: Es ist eine lobenswerte Handlung, wenn jemand innerhalb einer verschworenen Gruppe seine Meinung äußert, vor allem dann, wenn sie nicht gern gehört wird. Unausgesprochene Annahmen sollten auf jeden Fall hinterfragt werden, selbst, wenn das Risiko eines Ausschlusses aus der „übereinstimmenden“ Gruppe droht. Möglicherweise kann durch eine solch mutige Aktion eine katastrophale Fehlentscheidung vermieden werden.

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Udo Simianer

Ein Coach mit Praxiserfahrung: Udo Simianer, Jahrgang 1967, führt seit 1998 erfolgreich sein eigenes Unternehmen. Nebenberuflich studierte er in Göttingen BWL (Diplom und Master). Als CEO hatte Simianer über 10 Jahre Personalverantwortung für mehr als 50 freie Berater und angestellte Mitarbeiter. Udo Simianer hielt als Referent rd. 80 Seminare bzw. Vorträge in den Bereichen Management und Organisation. Nach Absolvieren von nahezu 750 Beratungstagen, ist er nebenberuflich als Dozent und Autor für Lehrmaterialien an verschiedenen Hochschulen aktiv. Udo Simianer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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